Zwischen Bananen- und Kaffeeplantagen – Interview mit Carmen Morales Bealcazar

  • Überarbeitet:
  • Liam Pichler

Carmen Morales Bealcazar, 58, trägt den Namen ihres Geburtsortes Morales, einem kleinen Dorf in Kolumbien. Kurz nach ihrer Geburt zog die zwölfköpfige Familie in die Stadt Cali, etwa zweieinhalb Stunden entfernt. Mit 24 Jahren besuchte Carmen ihre Schwester in der Schweiz, heiratete und entschied, zu bleiben. 

Was war für Sie die grösste Herausforderung in der Schweiz? 

Anfangs hatte ich Schwierigkeiten, Deutsch zu lernen. Mein damaliger Ehemann hat Spanisch gelernt, um sich mit mir zu verständigen. Als wir aus unserer einmonatigen Japanreise zurückkamen, konnte er die Sprache bereits. In dieser Zeit arbeitete ich in einer «Taverna Catalana», wo die meisten Leute Spanisch, Portugiesisch oder Italienisch sprachen. Als ich zweieinhalb Jahre später anfing, als Haushaltshilfe zu arbeiten, waren meine Arbeitgeber aus England, Amerika oder Schweden, weshalb wir nur auf Englisch kommunizierten. Daher habe ich bei jeder Gelegenheit einen Deutschkurs besucht. 

Wie sind Sie Haushaltshilfe geworden? 

Ich habe immer wieder einmal als Reinigungshilfe gearbeitet. Zunächst bei einer Reinigungsfirma, danach für Privatpersonen. Später war ich 17 Jahre lang in einem Altersheim tätig. Da arbeitete ich in der Küche, Wäscherei, Zimmereinigung – überall. Das war eine schwierige Zeit für mich.Denn ich bin eine ruhige Person und mag es gerne friedlich. Ich wusste, dass die Arbeit als Haushaltshilfe, bei der ich selbstständig arbeiten konnte, besser zu mir passte. Durch die Empfehlung der Schwiegermutter meiner Tochter fand ich schliesslich eine Anstellung bei einer Familie im Privathaushalt. 

Wie viele Arbeitgeber haben Sie? 

Ich habe fünf Arbeitgeber über quitt. Weitere zwei Arbeitgeber übernehmen die Abrechnung selbst. 

Wie ist die Beziehung zu Ihren Arbeitgebern? 

Sie sind alle sehr nett und freundlich zu mir, was mich wirklich glücklich macht. Mir ist es nicht wichtig, wie viel Arbeit in der Wohnung auf mich wartet. Solange die Leute freundlich und unkompliziert sind, gehe ich gerne zur Arbeit und bin gut gelaunt. Ich singe sogar (lacht)

Gibt es etwas, das Sie nicht gerne tun? 

Ich koche, seit ich sieben Jahre alt bin. Denn wir waren zehn Kinder und haben uns gegenseitig unterstützt. Die jüngeren Kinder blieben zu Hause, um beim Kochen zu helfen, während die älteren zur Schule oder zur Arbeit gingen. Als ich später in der Schweiz arbeitete, übernahm mein Mann das Kochen für mich, und ich wusste, ich hatte im Lotto gewonnen (lacht)

Gibt es etwas, das Sie an Ihrem Job ändern würden? 

Ich denke, dass der Aufwand, der mit einer Wohnungsreinigung verbunden ist, unterschätzt wird. Eine 4.5-Zimmer- Wohnung in drei Stunden zu putzen, ist einfach nicht möglich, wenn man seine Arbeit richtig machen möchte. Manchmal spielen die Kinder während meiner Anwesenheit; dann liegt überall Spielzeug herum, das zuerst aufgeräumt werden muss. Zudem müssen der Abfall entsorgt, der Kompost geleert und gewaschen sowie die Kleidung gebügelt und gefaltet werden – und das ist noch längst nicht alles. All diese Aufgaben brauchen Zeit. Deshalb bin ich nicht länger bereit, meine Arbeit zu verschenken, sei es auch nur für einen Probetag. Viele Reinigungsfirmen profitieren auf diese Weise immer noch von den Menschen, und das ist nicht fair. 

Wie verbringen Sie Ihren freien Tag?

Ich liebe es, Zeit mit meinen Enkelkindern zu verbringen. Am Wochenende malen wir zusammen oder spielen Spiele. Wir tanzen und singen auch gerne, und ich versuche, mitzuhalten (lacht)

Wo machen Sie Ferien? 

Einmal im Jahr reise ich nach Kolumbien, um Sonne zu tanken und meine Energiereserven wieder aufzuladen. Aufgewachsen bin ich in Cali, in einer Stadt in den Bergen zwischen Bananen- und Kaffeeplantagen. Das Wetter ist hier wie im Frühling; tagsüber ist es angenehm warm und abends herrschen eher mildere Temperaturen. Das erlaubt es der Bevölkerung, zwei- bis dreimal im Jahr zu ernten. 

Was sind Ihre Zukunftspläne?

Ich träume von einem kleinen Stück Land in Kolumbien. Dort würde ich meine eigenen Tomaten und Zwiebeln anpflanzen, frische Lebensmittel frei von Pestiziden. Und dann lebe ich mit meinen drei Hunden – mit meinen Kindern, wie ich sie nenne – ein ruhiges, glückliches Leben. 

 

 

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