So nah und doch so fern – Interview mit Ilkenia Anyelith Rodriguez

  • Überarbeitet:
  • Liam Pichler

Ilkenia Anyelith Rodriguez, 54, stammt aus Chiriquí, Panama, nahe der Grenze zu Costa Rica. Nach einem Besuch bei ihrer Schwester in Mailand verbrachte sie über 20 Jahre in Italien, gemeinsam mit ihrer Schwester und ihren Eltern. Seit 2015 ist sie in der Schweiz und arbeitet als Reinigungshilfe.

Wie sind Sie damals in die Schweiz gekommen?

Meine Schwester ist nach Italien ausgewandert. Als ich sie dort besuchte, machten wir gemeinsam Urlaub in der Schweiz. Die grüne Landschaft, die Natur und die Berge erinnerten mich sofort an meine Heimatstadt Chiriquí, was mir sehr gefiel. Damals war ich 23 Jahre alt und hätte nie gedacht, dass ich einmal hier arbeiten würde.

Was war für Sie die grösste Herausforderung in der Schweiz?

Über zwei Jahrzehnte lang lebte ich in Italien. Tagsüber arbeitete ich in der Kantine einer Klinik, abends absolvierte ich meine Ausbildung zur Hilfskrankenschwester. Nach erfolgreichem Abschluss hatte ich die Gelegenheit, ein Praktikum im Krankenhaus zu machen und war später in einer Anstalt für junge Menschen mit Downsyndrom tätig. Doch in Italien überstiegen meine Ausgaben regelmässig meine Einnahmen. In der Schweiz hingegen konnte man einfach besser verdienen. Also beschloss ich, in die Schweiz zu ziehen und eine Arbeitsbewilligung zu beantragen. Es dauerte eine Weile, bis ich hier legal arbeiten konnte. Schliesslich, im Jahr 2015, wurde ich von einer Reinigungsfirma angestellt und arbeitete dort für zweieinhalb Jahre.

Wie sind Sie Haushaltshilfe geworden?

Anfangs lief alles reibungslos in der Reinigungsfirma. Doch mit der Zeit wurde der Lohn nicht mehr am 15., sondern erst am 20. des Monats ausgezahlt. Zudem musste ich oft lange Strecken pendeln, von Zürich über Winterthur nach Bülach. Ich hatte einen straffen Zeitplan. Eine Kundin, für die ich über die Reinigungsfirma arbeitete, empfahl mich ihrer Schwester weiter, und diese wiederum ihrer Kollegin. Danach wurden meine Arbeitsstunden bei der Reinigungsfirma immer weniger, und schliesslich begann ich, nur noch als private Haushaltshilfe zu arbeiten.

Wie ist es für Sie, mehrere Arbeitgeber zu haben?

(Zählt mit den Fingern) Ich habe insgesamt 15 private Arbeitgeber, die meisten von ihnen sehe ich nur alle zwei Wochen. Es ist aufwändig, aber machbar. Alles, was man braucht, ist eine gute Organisation. Ich halte regelmässigen Kontakt mit meinen Arbeitgebern und informiere sie darüber, an welchen Tagen ich verfügbar bin, damit ich die richtigen Schlüssel dabeihabe. Die begehrten Tage, wie Donnerstag oder Freitag, sind schnell vergeben. Zudem schaue ich, dass die Haushalte, zwischen denen ich pendle, nah beieinander liegen.

Was schätzen Ihre Arbeitgeber besonders an Ihnen?

Meine ruhige und positive Art. Einmal sagte mir ein Arbeitgeber: «Es fühlt sich irgendwie anders an, wenn du da bist.» Solche Aussagen bereiten mir Freude. Doch das grösste Lob ist, wenn meine Arbeitgeber mich weiterempfehlen. Das zeigt mir, dass sie mit meiner Arbeit zufrieden sind.

Welche Musik hören Sie bei der Arbeit?

Eigentlich höre ich am liebsten die Nachrichten. Dadurch, dass sie langsamer sprechen, verstehe ich viel mehr und kann meine Deutschkenntnisse verbessern. Wenn niemand zu Hause ist, singe ich tatsächlich auch gerne spanische Lieder. Ich erinnere mich noch daran, wie ich einmal beim Staubsaugen war und plötzlich mein Arbeitgeber hinter mir stand und sagte: «Sie singen aber gerne, was?» (lacht). Das war mir dann schon ein wenig peinlich.

Was machen Sie nach Feierabend?

Gelegentlich treffe ich mich mit meinen Freunden zu einer Tasse Tee. Dabei achte ich darauf, dass die Arbeit als Thema am Tisch vermieden wird. Sobald ich Feierabend habe, ist es Zeit, abzuschalten. Zurück zu Hause bereite ich mein Abendessen vor. Da mir das Kochen nicht besonders gefällt, bereite ich gerne ein bisschen mehr vor, um es am nächsten Tag mit zur Arbeit zu nehmen.

Wo machen Sie Ferien?

Das letzte Mal war ich vor elf Jahren in Panama. Da meine Familie in Mailand lebt, habe ich die Möglichkeit, sie am Wochenende mit dem Zug zu besuchen oder sie besuchen mich hier in der Schweiz. Auch in Kroatien, Spanien und Frankreich halte ich mich gerne auf.

Was sind Ihre Zukunftspläne?

Mein Wunsch ist es, wieder in der Pflege zu arbeiten, ähnlich wie in Italien. Sei es in einem Altersheim oder Krankenhaus. Deshalb gebe ich mir Mühe, meine Deutschkenntnisse zu verbessern.

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