E. Ferreira (40) lebt in der Nähe von Zürich. Die portugiesischsprachige Haushaltshilfe stammt aus Brasilien und ist seit 12 Jahren…
Kann ich eine Putzhilfe ohne Aufenthaltsbewilligung bei der AHV anmelden?
Migrantinnen und Migranten ohne geregelten Aufenthaltsstatus werden auch „Sans-Papiers“ genannt. Vier von fünf Sans-Papiers gehen einer Arbeit nach, über die Hälfte davon in Privathaushalten: als Reinigungskraft, Seniorenbetreuung oder Au-Pair. quitt liefert Antworten auf wichtige Fragen rund um das Thema Sans-Papiers.
Darum geht’s
- Sans-Papiers sind Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus und Arbeitsbewilligung.
- Ein Grossteil der Sans-Papiers in der Schweiz arbeitet. Auch Menschen ohne Aufenthaltsbewilligung haben Rechte.
- quitt zeigt auf, was Arbeitgebende von Sans-Papiers beachten müssen.
Gemäss einer Schätzung der Schweizer Gewerkschaft Unia leben in der Schweiz ungefähr 150’000 Menschen ohne gültige Aufenthaltsbewilligung. Sie melden sich gelegentlich bei den verschiedenen Anlaufstellen für Sans-Papiers. Pierre-Alain Niklaus war während sieben Jahren Leiter der Anlaufstelle für Sans-Papiers in Basel. Für seine Untersuchung führte er Interviews mit ihren Arbeitgebenden von Sans-Papiers durch. Seine Befragungen zeigen: Die meisten Familien stellen privat Haushaltshilfen an, um Beruf und Familie besser zu vereinen. Ein positiver Nebeneffekt: Es gebe bei Paaren mit Haushaltshilfen weniger Diskussionen aufgrund nicht erledigter Haushaltsarbeiten.
Darum stellen Arbeitgebende Sans-Papiers an
In seiner Untersuchung stellte Sozialarbeiter Niklaus fest, dass Familien bei der Anstellung einer privaten Haushaltshilfe nicht wählerisch sind. Sie würden hauptsächlich im Bekanntenkreis nach Empfehlungen fragen. Bei der Anstellung von Sans-Papiers spielten Motive wie niedrige Lohnkosten oder hohe Flexibilität keine Rolle. Vielmehr würden die Arbeitgebenden «völlig unvorbereitet in die Anstellung einer irregulären Hausarbeiterin hineingeraten».
Sans-Papiers überzeugen mit hoher Arbeitsmoral
Niklaus stellte fest, dass Sans-Papiers Arbeitgebende mit ihrer hohen Arbeitsmoral und dem Wunsch nach einem langfristigen Engagement überzeugen. Für den Arbeitgebenden sei es demnach schwierig, sich von den Sans-Papiers zu trennen, auch wenn sie von der fehlenden Aufenthaltsbewilligung der Haushaltshilfe erfahren. In den meisten Fällen bevorzugen Arbeitgebende, Sans-Papiers weiterhin schwarz im Privathaushalt zu beschäftigen. Ein Arbeitgebender macht sich damit strafbar.
Diagramm 1. Statistiken aus dem Schlussbericht «Sans-Papiers in der Schweiz 2015» von der Université de Genève, Swiss Forum for Migration and Population Studies und B,S,S. im Auftrag des SEM:
■ Privathaushalt 53% ■ Baugewerbe 18% ■ Gastgeber 16% ■ Andere 8% ■ Landwirtschaft 5%
Sozialversicherungsbeiträge: Sans-Papiers korrekt abrechnen
Gut zu wissen: Arbeitende Migrantinnen und Migranten, die sich illegal in der Schweiz aufhalten, können durch Arbeitgebende gegen Unfall versichert und bei der AHV-Ausgleichskasse angemeldet werden. Es ist somit möglich, dass Haushaltshilfen ohne Arbeitsbewilligung Sozialversicherungsbeiträge bezahlen.
Sans-Papiers profitieren von strengem Datenschutz
Manchen Arbeitgebenden ist es zu Beginn nicht bewusst, dass sie einen Sans-Papiers als Arbeitnehmenden anstellen. Ein Teil dieser Arbeitgebenden meldet die Arbeitskraft bei der zuständigen Sozialversicherungsanstalt an. Diese Anmeldung ist grundsätzlich ohne Risiko für die Sans-Papiers. Weder die Ausgleichskasse, noch die Sozialversicherungsanstalt oder die Steuerbehörden dürfen dem Migrationsamt Daten über Sans-Papiers-Personen zukommen lassen. Achtung: Die Unfallversicherungen sind gesetzlich verpflichtet, die Migrationsbehörden zu informieren, sofern sie Hinweise auf Schwarzarbeit erhalten. Für Sans-Papiers ist es aber kein Risiko, wenn Arbeitgebende sie zum Beispiel über quitt gegen Unfall versichern und bei der AHV anmelden.
Sans-Papiers können AHV-Renten beziehen
Eine bei der AHV offiziell registrierte Sans-Papiers-Arbeitskraft kann im Pensionsalter auch eine AHV-Rente der Schweiz erhalten. Die Bedingung: Ihr Aufenthaltsstatus wird legalisiert oder sie hält sich später rechtmässig in einem Land auf, mit dem die Schweiz ein bilaterales oder multilaterales Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen hat. Das bei der Ausgleichskasse einbezahlte Geld ist also nicht in jedem Fall verloren.
Ohne obligatorische Unfallversicherung drohen hohe Kosten
Illegale Migrantinnen und Migranten arbeiten meist gegen Barzahlung, ohne die obligatorische Unfallversicherung und zahlen keine obligatorischen Sozialversicherungsbeiträge. Damit haben sie im Alter auch kein Anrecht auf Rentengelder. Sie müssen sich oft mit einem Tieflohn zufriedengeben und tragen ohne die obligatorische Unfallversicherung ein grosses finanzielles Risiko. Bei Unfällen bleiben sie auf den Arztkosten sitzen.
Tabelle 2. Statistiken aus dem Schlussbericht «Sans-Papiers in der Schweiz 2015» von der Université de Genève, Swiss Forum for Migration and Population Studies und B,S,S. im Auftrag des SEM:
■ Lateinische Schweiz 49% ■ Urbane Kantone 27% ■ Deutschschweiz 19% ■ Tourismuskantone 5%
Anstellung von Sans-Papiers ist verboten
Die Anstellung von Personen ohne Aufenthalts- bzw. Arbeitsbewilligung ist in der Schweiz verboten. Wer Sans-Papiers beschäftigt, kann sich nach Artikel 116 Abs. 1a des Ausländergesetzes strafbar machen. Es drohen Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe.
Sans-Papiers korrekt versichern und anmelden
Arbeitgebende machen sich doppelt strafbar, wenn sie Sans-Papiers im Haushalt beschäftigen, ohne ihre Anstellung bei den Sozialversicherungen korrekt anzumelden. Dies ist vergleichbar mit einer Person, die nicht angeschnallt im angetrunkenen Zustand Auto fährt. Wer Sans-Papiers im Haushalt beschäftigt und die Anstellung korrekt abrechnet, macht sich nicht strafbar wegen der illegal angestellten Person. Die Anstellung an sich bleibt aber illegal. Das ist vergleichbar mit einer Person, die angeschnallt im angetrunkenen Zustand Auto fährt.
Bundesratsbericht soll Situation der Sans-Papiers klären
Die Situation der illegalen Migrantinnen und Migranten könnte sich dank einem Bericht des Bundesrates ändern. Der Bericht liefert eine Gesamtbetrachtung der Problematik von Sans-Papiers. Es wird unter anderem das Sozialversicherungsrecht und das Ausländerrecht mit den sogenannten «Härtefällen» thematisiert. Bei einem Härtefall-Gesuch wird untersucht, ob der Status illegaler Migrantinnen und Migranten legalisiert werden soll.
Härtefall-Regeln im Prüfstand
Es gibt sowohl im Asylgesetz als auch im Ausländergesetz Bestimmungen, wie diese Härtefälle zu beurteilen sind. Die gesetzlichen Kriterien zur Beurteilung von Härtefällen werden aber je nach Situation unterschiedlich ausgelegt. Die beurteilenden kantonalen Behörden haben einen grossen Ermessensspielraum. Wenn der Kanton eine Härtefallbewilligung erteilt, muss das Staatssekretariat für Migration dem Fall abschliessend zustimmen. Bei einer Zustimmung bekommt der Sans-Papiers eine Aufenthaltsbewilligung für die Schweiz.
Über 1’800 Sans-Papiers in Genf legalisiert
Im Bericht des Bundesrates sollen auch Erkenntnisse des Genfer Projektes «Papyrus» mitberücksichtigt werden. Im Projekt Papyrus wurde laut der Neuen Zürcher Zeitung der Status von über 1’800 Sans-Papiers legalisiert. Für eine Legalisierung mussten sie seit vielen Jahren im Kanton Genf gelebt haben, finanziell unabhängig sein und keine kriminelle Vergangenheit haben oder Schulden aufweisen. Es gab gemäss Erkenntnissen nur vier nicht bewilligte Härtefallgesuche.
Organisationen, die sich für illegale Migrantinnen und Migranten einsetzen
Verein Anlaufstelle für Sans-Papiers: Die Plattform zu den Sans-Papiers wurde 2002 gegründet mit dem Ziel, Regularisierungen für die Sans-Papiers zu erreichen oder zumindest die Härtefallregelung zu verbessern.
Nationale Plattform „Gesundheitsversorgung von Sans-Papiers“: Die Nationale Plattform Gesundheitsversorgung für Sans-Papiers wurde 2006 gegründet, angestossen durch das Bundesamt für Gesundheit.
Schweizerisches Rotes Kreuz: Das Schweizerische Rote Kreuz offeriert Sans-Papiers ein Ambulatorium für die medizinische Grundversorgung.
Gewerkschaft Unia: Setzt sich für die Rechte der Sans-Papiers ein. Dies zu den Bereichen Gesundheitsversorgung, Sozialversicherungen und Schule.
Gewerkschaft Syndicat SIT: Verteidigt die Rechte der Sans-Papiers und ist für eine kollektive Regularisierung der Sans-Papiers.
Quellenverzeichnis
Die Bundesversammlung, das Schweizer Parlament: Interpellation «Sans-Papiers mit AHV Ausweis»
Die Bundesversammlung, das Schweizer Parlament: Motion «Für eine kohärente Gesetzgebung zu Sans-Papiers. Inklusive Antwort des Bundesrates»
Die Bundesversammlung, das Schweizer Parlament: Postulat «Gesamthafte Prüfung der Problematik der Sans-Papiers»
Niklaus, Pierre-Alain: Untersuchung «Warum sie es tun; Private Haushalte als Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber von Sans-Papiers»
NZZ: Artikel «Genf hat den Status von über 1800 Sans-Papiers legalisiert»
SEM, Staatssekretariat für Migration: Bericht «Sans-Papiers in der Schweiz 2015»